Deutungsfelder des Duells

Organisatoren
Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit, DFG-Forschungsprojekt: „Das Duell als kulturelle Praktik in der Frühen Neuzeit. Vergleichende Untersuchungen zu Kursachsen, Mecklenburg und Schweden.“ Prof. Dr. Gerd Schwerhoff, Dr. Ulrike Ludwig, Alexander Kästner
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.04.2008 - 18.04.2008
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Von
Alexander Kästner, Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit, Technische Universität Dresden

Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert formierte sich im vormodernen Europa das Duell als eine komplexe kulturelle Praktik verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Während für Frankreich (François Billacois; Stuart Caroll; Pascal Briost/ Hervé Drévillon/ Pierre Serna), England (Markku Peltonen; Roger B. Manning), Irland (James Kelly) oder Italien (David Quint; Frederick R. Bryson) wichtige Arbeiten zur frühneuzeitlichen Duellkultur vorliegen, stellen einschlägige Forschungen für das Alte Reich weitgehend ein Forschungsdesiderat dar. Die Veranstalter des Workshops wollen mit einem Forschungsprojekt zum „Duell als kultureller Praktik in der Frühen Neuzeit“1 in diese Lücke stoßen, in dem eine diachron und regional vergleichende Sozial- und Kulturgeschichte des Duells in der Frühen Neuzeit erarbeitet werden soll.

Die Veranstalter des zweitägigen Workshops hatten sich zum Ziel gesetzt, mit einem kleinen Kreis an ausgewiesenen Referenten und Diskutanten bestehende Thesen und offene Probleme der Duellforschung zu thematisieren und offen zu diskutieren, um sowohl Blick und Perspektiven des Dresdner Forschungsprojektes als auch das Bewusstsein für bislang nicht diskutierte Probleme der Duellforschung zu schärfen.

Bereits der den Workshop einleitende Abendvortrag von RONALD G. ASCH (Freiburg im Breisgau) verwies auf zentrale Fragen der Duellforschung: Wie und aus welchen Formen gewaltsamen Konfliktaustrags hat sich das Duell am Beginn der Frühen Neuzeit entwickelt? Wie verlief der Prozess der Kriminalisierung des Duells in Norm und Praxis? Aus welchen Gründen und wie häufig wurden Duelle ausgetragen? Ronald G. Asch stellte in seinem Vortrag heraus, dass in Frankreich im 16. Jahrhundert der Unterschied zwischen Fehden und Duellen nicht immer klar erkennbar war. Mithin sei zu beobachten, dass Duelle häufig als Höhepunkt jahrelanger Fehden ausgetragen wurden. In einer „Kultur der Gewalt“ hatte letztlich auch die Antiduellgesetzgebung im 17. Jahrhundert nur begrenzten Erfolg. Insbesondere im Militär blieben Duelle weithin geduldet. Im Unterschied zu den frühen, weniger klar umrissenen Formen der Duellpraxis beschränkte sich der gewaltsame Konfliktaustrag im Duell nun aber zunehmend auf die eigentlich Beteiligten und hegte sich so selbst ein. Letztlich sei das Duell, so Ronald G. Asch, als residualer Ausdruck eines spezifisch adeligen Heroismus zu verstehen, der Adelige zunehmend auch bei banalen Anlässen zum Duell motiviert habe. Nach diesen Beobachtungen der neueren Duellforschung referierte Ronald G. Asch anschließend den Befund, dass anhand von Leichenschaulisten eine Zunahme von Duellen in Frankreich im 18. Jahrhundert empirisch evident sei.

An diese Diskussionsvorlagen schlossen am Folgetag die weiteren Referate und Diskussionen an. Alle Teilnehmer stimmten darin überein, dass bislang eine genaue begriffliche Bestimmung dessen, was in der Frühen Neuzeit eigentlich unter einem Duell zu verstehen sei, fehle. Dies könne unter anderem auch darauf zurückgeführt werden, dass die frühneuzeitlichen Vorstellungen vom Duell durchaus heterogen und bisweilen widersprüchlich waren. GERD SCHWERHOFF (Dresden) forderte, zunächst eine Heuristik zu entwickeln, um dem begrifflichen Abgrenzungsproblem Herr zu werden, denn man stehe vor der Situation, meist spontane Situationsverläufe mit kulturwissenschaftlichen Methoden durchdringen zu wollen, deren Interpretamente nicht immer deckungsgleich mit den zeitgenössischen Deutungen seien. Vor allem JAN WILLEM HUNTEBRINKER (Frankfurt/Main) und BARBARA KRUG-RICHTER (Münster) betonten in ihren Diskussionsbeiträgen, dass eine Erforschung des Duells eine breite Kontextualisierung dieses Phänomens mit Blick auf die verschiedenen frühneuzeitlichen Gewaltkulturen unabdingbar macht, um etwa zu verstehen, wie die Einführung neuer Waffen (Rappier/Degen/Pistole) neue Ritualisierungen ermöglicht hat. Barbara Krug-Richter stellte in ihrem Referat zur studentischen Konfliktkultur zudem heraus, dass die allen gewaltsamen Konflikten letztlich immanente Regelhaftigkeit zeige, wie schwer sich Duelle von anderen Formen gewaltsamen Konfliktaustrags abgrenzen lassen, wenn der geregelte Verlauf der Gewalthändel zum Differenzkriterium erhoben wird.
Ähnliche Beobachtungen konnte CHRISTOPHER COLLSTEDT (Lund) für Schweden benennen, dessen Vortrag seine grundlegende Studie zur Duellkultur in Schweden am Ende der Großmachtzeit zusammenfasste.2 Die Ritualisierung der Gewalt in einer stark durch spezifische Vorstellungen von Männlichkeit geprägten Gewaltkultur in Schweden sei kaum als eine sich ständisch abgrenzende Verfeinerung des Gewaltaustrags nachzuvollziehen. Vielmehr ließen die Akten eindeutig erkennen, dass es sich bei den untersuchten Duellen oftmals um bloße Schlägereien und Balgereien gehandelt habe, die wegen der in Schweden – anders als beispielsweise in Kursachsen – in den Normen festgeschriebenen präzisen ständischen Begrenzung der zum Duell fähigen Gruppen als Duelle verhandelt wurden, womit in der Rechtspraxis eine ständische Differenzierung der rechtlichen Beurteilung von Gewalthändeln eingezogen wurde. Entgegen der von ULRIKE LUDWIG und ALEXANDER KÄSTNER (beide Dresden) für Kursachsen vorgetragenen Befunde, lässt sich für Schweden zudem erkennen, dass die Landesherrschaft die Antiduellgesetzgebung zur Disziplinierung des Adels funktionalisierte.

Die Referate von Ulrike Ludwig und Alexander Kästner beschäftigten sich insbesondere mit der Bewertung der kursächsischen Duellgesetzgebung und Rechtspraxis. Darüber hinaus bemühten sich ihre Beiträge, die auf der Homepage des Dresdner Duellprojektes öffentlich zugänglich sind3, zu klären, warum in den Duellakten der zentralen Landesbehörden Kursachsens eine auffällig große Bandbreite verschiedener Gewalthändel überliefert ist und schlossen so an die Diskussionen über das Problem der begrifflichen Abgrenzung an. Beide stellten heraus, dass die kursächsische Antiduellgesetzgebung eine Vielzahl an Verhaltensformen sanktionierte, die im Zusammenhang mit der Ausforderung und dem Austrag von Gewalthändeln standen. ANDREAS GÖßNER (Göttingen) ergänzte hierzu, dass die Antiduellgesetzgebung staubsaugerartig eine Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen unter ihre Perspektive zwang, woraus sich auch die zu beobachtende exzessive Gnadenpraxis im Anschluss an die Verurteilungen von Duellanten erklären lassen könnte, denn oftmals – so bemerkte Ulrike Ludwig – standen örtliche Gerichtsinstanzen ganz einfach vor dem Problem, wegen der erlassenen Duellgesetze in großer Zahl alltägliche Verhaltensweisen, wie etwa Beleidigungen, hart bestrafen zu müssen, die zuvor durch andere Gesetze wesentlich milder sanktioniert gewesen waren.

Ulrike Ludwig versuchte des weiteren zu erklären, wie der Begriff Duell in Kursachsen seit dem 17. Jahrhundert als eine Zuschreibung etabliert wurde, die sich erst langsam von den bestehenden Deutungsmustern von Gewalt- und Ehrkonflikten abzuheben begann und herkömmliche Ehrkonzepte und Gewaltmuster in einen veränderten Deutungszusammenhang stellte. Alexander Kästner stellte die kursächsischen Antiduellgesetze inhaltlich in die Nachfolge der Landfriedensgesetze. Zwar lasse sich beim derzeitigen Forschungsstand noch keine konsistente Rechtsposition der landesherrlichen Obrigkeiten und Spruchbehörden feststellen, wie Gerd Schwerhoff zu bedenken gab, doch beschrieben einzelne Rechtsgutachten den von Kästner behaupteten Zusammenhang, der damit für den Bereich der Normen eine Parallele zu der wiederholt diskutierten Herleitung des Duells unter anderem aus der Fehdepraxis des Spätmittelalters zog.

Ulrike Ludwig konnte darüber hinaus aufzeigen, wie die Antiduellgesetze im Alten Reich als Transmissionsriemen fungierten, um Begriff und Vorstellungen vom Duell in einer Zeit zu verbreiten, für die in der zeitgenössischen Publizistik nur vage Fingerzeige auf eine beginnende Duellkultur festzustellen sind. Übergreifend wurde die von Ulrike Ludwig und Alexander Kästner vorgetragene Skepsis darüber geteilt, die im Zedler in der Mitte des 18. Jahrhunderts festgeschriebene Differenz zwischen engem Duellbegriff und phänomenologisch weitem Zweikampfbegriff einfach auf die Zeit vor 1700 zu übertragen.4 Insgesamt zeigen sowohl die kursächsische Antiduellgesetzgebung und nach dem Stand der bisherigen Archivforschung auch die Verfahrens- und Gnadenpraxis in Kursachsen keine so deutliche ständische Differenzierung der Duelldelikte bzw. Abgrenzung der Satisfaktionsfähigkeit, wie man im Dresdner Forschungsprojekt anfangs noch vermutet hatte.

Die Diskussionen des Workshops haben damit wichtige Perspektiven eröffnet und nötigen dazu, bisherige Vorstellungen sowohl von der Duellpraxis als auch vom rechtlichen Umgang mit Duellen in Norm und Rechtspraxis in Frage zu stellen. So stellt sich vor dem Hintergrund unscharfer ständischer Abgrenzungen in den kursächsischen Normen die Frage, inwieweit sowohl die Antiduellgesetzgebung als auch die Gnadenpraxis ausschließlich als Versuche der Territorialobrigkeiten bewertet werden können, den territorialen Adel zu disziplinieren. Darüber hinaus sind zukünftig stärker regionale Unterschiede zu betonen, denn für Schweden konnte Christopher Collstedt genau diese Intention der Landesherrschaft nachweisen und auch Ute Frevert hat für Preußen die Intention der Territorialobrigkeit herausgestrichen, den territorialen Adel zu disziplinieren und an sich zu binden, indem verurteilte Duellanten systematisch begnadigt wurden.5 Es ist in Zukunft weiter offen auszudiskutieren, an welchen Punkten genau verschiedenen kulturellen Leitkonzepten (Standesehre, persönliche Ehre, Männlichkeit usw.) ein Einfluss auf die Duellpraxis zugesprochen werden kann.

Abschließend forderte Ronald G. Asch für die Zukunft eine genauere quantifizierende Analyse der sozialen Trägerschichten des Duells ein und erklärte, dass sowohl in den Diskussionen des Workshops als auch in der bisherigen Forschung das Selbstverständnis der an einem Duell beteiligten Personen zu wenig in den Blick geraten sei. Auch wären die vorgetragenen Thesen zur Bewertung der Normen insbesondere im interterritorialen Vergleich weiter zu präzisieren. Völlig zu Recht wies Andreas Gößner darauf hin, dass dem Dresdner Forschungsprojekt eine konfessionell vergleichende Perspektive fehle. Da es aber bislang überhaupt an einer grundlegenden Studie zum Duell im Alten Reich mangelt, eröffnet dieser Hinweis über das Anliegen des Dresdner Forschungsprojektes hinaus eine wichtige Perspektive weiterer notwendiger Forschungen. Jan Willem Huntebrinker regte schließlich an, die Visualisierung von Kampfpraktiken stärker in den Blick zu nehmen. Alle Teilnehmer stimmten zwar darüber ein, dass eine solche Perspektive gewinnbringend wäre, um mehr über Herkunft und die Verbreitung von Vorstellungen über das Duell zu erfahren, gaben aber auch zu bedenken, dass größere Quellenbestände, die hierzu Auskunft geben könnten, beim derzeitigen Forschungsstand nicht zu erkennen sind.

Das Dresdner Forschungsprojekt zum „Duell als kultureller Praktik in der Frühen Neuzeit“ wird in den kommenden zwei Jahren die gewonnenen Anregungen in die eigene Arbeit einfließen lassen. Die Veranstalter des Workshops danken noch einmal ausdrücklich allen eingeladenen Referenten, Diskutanten und Gästen für den offenen und fruchtbaren Gedankenaustausch sowie für deren Bereitschaft, auch zukünftig das Dresdner Duellprojekt durch Diskussion und kritische Kommentare zu begleiten. Für den Abschluss des Forschungsprojektes ist neben einer eigenständigen vergleichenden Studie auch eine international ausgerichtete Abschlusstagung geplant, um die eigenen Ergebnisse in einem größeren Forschungskontext diskutieren zu lassen und verorten zu können.

Konferenzübersicht:

Eröffnung
Ronald G. Asch: Adel im 18. Jahrhundert

Gerd Schwerhoff: Begrüßung und Einführung
Ulrike Ludwig (Dresden): Aspekte des Dresdner Forschungsprojektes „Das Duell als kulturelle Praktik in der Frühen Neuzeit“
Barbara Krug-Richter (Münster): Studentische Gewaltkultur
Christopher Collstedt (Lund): Justice and the Duellist. Crimes of Duelling and Perceptions of Masculinity in the Final Phases of Sweden’s Period as a Great Power
Alexander Kästner (Dresden): Deutungsmuster der Duellgesetzgebung im 18. Jh. – Das Beispiel der Wittenberger Juristenfakultät

Abschlussdiskussion
Ronald G. Asch (Freiburg)
Andreas Gößner (München)
Jan Willem Huntebrinker (Frankfurt am Main)

Anmerkungen:
1 <http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~frnz/> (Themen – Duell) (10.06.2008).
2 Collstedt, Christopher, Duellanten och rättvisan. Duelbrott och synen på manlighet i stormaktsväldets slutskede, Lund 2007.
3 <http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~frnz/> (Themen – Duell) (10.06.2008).
4 [Art] Duell oder Zweykampff, in: Johann Heinrich Zedler u. a. (Hrsg.): Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbesset worden (...), Bd. 7, Halle, Leipzig 1733, Sp. 1555 u. [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen oder Duell, in: ebd., Bd. 64, Halle, Leipzig 1750, Sp. 1330-1430.
5 Frevert, Ute, Ehrenmäner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991, S. 68 u. ö.


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